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Alte Trends neu verpackt: Was hinter Quiet Quitting, Blind Signing & Co. steckt

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Ob Blind Signing, Quiet Quitting, Rage Applying oder Career Cushioning: Im Kontext des Arbeitsmarkts stolpern wir in den letzten Wochen und Monaten immer mehr über diverse Trends, die alle ähnlich klingen. Oder zumindest gleich aufgebaut sein: kurze, prägnante, englische Begriffe. Hast du noch nie von den Begriffen gehört? Gut möglich, viele von ihnen sind erst kürzlich im deutschsprachigen Raum in die Medien gespült worden.

Diese Vielzahl ähnlicher neuer Begriffe und die dahintersteckenden Entwicklungen werfen unweigerlich die Frage auf: Welche Trends davon gibt es wirklich? Sind diese Entwicklungen alle neu? Wie kommt es zu dieser plötzlichen Häufung in den Medien? Werfen wir zu Beginn einen schnellen Blick auf die dominierenden Begriffe.

Quelle: Google Trends

Eine Handvoll Definitionen: Quiet Quitting, Blind Signing, Rage Applying

Quiet Quitting ist den meisten am ehesten noch bekannt. Verstärkt seit 2022 kommt der Begriff – initiiert durch ein TikTok-Reel – immer stärker in den Sprachgebrauch der Personalverantwortlichen. Er beschreibt den Umstand, dass Mitarbeiter nicht mehr mehr leisten, als ihr Vertrag vorschreibt. Keine Überstunden, kein übereifernder Einsatz. Wichtig: Quiet Quitting ist kein Synonym für die innere Kündigung. Bei letzterer ist der Mitarbeiter zufrieden, „Quiet Quitter“ hingegen sind zufrieden, möchten nur nicht Überstunde um Überstunde schieben.

Quelle: https://unsplash.com/de/fotos/BcjdbyKWquw

Der zweite Begriff im Bunde, der immer wieder fällt: Rage Applying. Dieser beschreibt den intensiven Bewerbungsprozess von Angestellten, die in ihrem aktuellen Job unzufrieden sind. Sie bewerben sich aufgrund der inneren Unzufriedenheit „wütend“ bei dutzenden anderen Arbeitgebern. Hauptsache, sie kommen schnell aus ihrem aktuellen Angestelltenverhältnis.

Aller guten Dinge sind drei: Blind Signing steht für das „blinde Unterzeichnen“ eines Arbeitsvertrags, ohne das Gegenüber – Bewerber oder Unternehmen – genauer unter die Lupe genommen zu haben. Frei nach dem Motto: „Hauptsache, die Stelle ist besetzt!“ respektive „Hauptsache, ich habe den Job!“. Folge von Blind Signing: hohe Kündigungsraten nach wenigen Wochen oder Monaten, da die Erwartungen beidseitig nicht erfüllt werden.

Die Definitionen ließen sich noch weiter ausführen:

  • Career Cushioning
  • Job Crafting
  • Great Return

Es gibt jede Menge ähnlich klingender Begriffe, die in den Medien kursieren. Doch woher kommt das so geballt?

Englisch ist einfacher als Deutsch

Ein Grund für die verstärkte Verbreitung der Begriffe ist die Veränderung der Sprachgewohnheiten. Damit ist nicht etwa die Genderfrage gemeint, vielmehr der Fokus auf die englische Sprache. War das Beherrschen des Englischen früher noch ein Einstellungsgrund, ist es heute Grundvoraussetzung.

Das führt dazu, dass Begriffe wie Quiet Quitting oder Blind Signing jeder versteht. Und seien wir ehrlich – glaubst du, dass Begriffe wie „blindes Unterschreiben“ oder „ruhige Kündigung“ genau so auf TikTok und im Internet allgemein verbreitet worden wären? Wohl kaum.

Social Media als Informationsbeschleuniger

Der zweite Grund für die rasende Verbreitung solcher Begriffe ist Social Media. Nun ist es nicht neu, dass soziale Netzwerke Informationen schnell transportieren. Dass eine Information früher per Brief mehrere Tage oder Wochen auf der Reise war und heute innerhalb von Bruchteilen einer Millisekunde auf die andere Erdhälfte geschickt wird, ist klar.

Der Kern liegt mehr an den Nutzern der Plattformen und wie Inhalte auf diesen mittlerweile konsumiert werden. Was früher 10- oder 15-minütige Nachrichtensendungen oder einstündige Reportagen in ARD und ÖRF waren, sind heute wenige Sekunden oder maximal Minuten auf TikTok, Snapchat und Instagram.

Quelle: https://unsplash.com/de/fotos/XfnfMlNpWDo

Nachrichten werden von jüngeren Generationen anders konsumiert, ebenso Geschichten. Viel schneller und direkter. Und ganz ehrlich: Für die kurzen und prägnanten Begriffe wie Rage Applying oder Quiet Quitting wären in der deutschen Sprache oder ausführlichen Erklärung deutlich mehr als zwei Worte nötig.

Wir haben geklärt, warum die Begriffe sich so schlagartig auch im deutschsprachigen Raum verbreiten. Noch offen: Sind es neue Trends und Entwicklungen?

Die kurze Antwort: Nein. Zwar sind einige Entwicklungen, die unter den prägnanten Begriffen zusammengefasst werden, in den letzten Monaten und Jahren zumindest subjektiv stärker aufgetreten als zuvor. Empirische Erhebungen dazu gibt es allerdings (noch) nicht.

Ein Beispiel: Blind Signing in seiner Definition müsste sich in steigenden Fluktuationsraten niederschlagen. Ein Blick auf die entsprechenden Statistiken verrät jedoch – die Fluktuation ist in den letzten Jahren nicht gestiegen, sie bewegt sich stets auf einem ähnlichen Niveau.

Was jedoch spürbar ist: Neue Generationen beschäftigen sich verstärkt mit Themen rund um das Thema Arbeit vs. Freizeit. Letztlich drehen sich viele der Begriffe genau darum: Was ist mir meine Arbeit wert? Wie möchte ich mein Leben gestalten? Wie finde ich den Weg in ein ausgeglichenes Leben?

Es gibt nicht wenige, die der viel zitierten „Gen Z“ daraus einen Strick drehen wollen – so wollen Quiet Quitter einfach nur nichts arbeiten, Rage Applyer sind unzuverlässig und so weiter. Diese Vergleiche sind zu weit hergeholt und nicht angemessen.

Der etwas andere Blickwinkel

Vielmehr stellen sich doch andere Fragen. Ist es nicht sinnvoll, nicht bis zum Burnout Überstunde um Überstunde aneinander zu reihen? Sollte ein Job, der einen belastet, nicht zügig verlassen werden und parallel mehrere andere Optionen geprüft werden? Sollte für eine mögliche Kündigung nicht ein Plan B in der Tasche stecken? Sollte in der Probezeit oder nach kurzer Zeit im Job nicht die Reißleine gezogen werden, wenn es nicht passt?

In der gleichen Reihenfolge: Quiet Quitting, Rage Applying, Career Cushioning, Blind Signing. Werden die Begriffe in einen anderen Kontext gesetzt, wird schnell klar, dass sie…

  • …schon immer existent waren und nun schlicht in anderer Bezeichnung in den Medien erscheinen.
  • …im Kern nichts sind, was irgendjemand angekreidet werden kann, sondern normal sein sollte.

Ob Trend oder nicht, wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen, um eine der Eingangsfragen nochmals aufzugreifen. Letztlich sind die prägnanten Begriffe lediglich eine Umschreibung von schon immer Dagewesenen. Wohin die Reise geht, ob sie in der Versenkung verschwinden oder in den täglichen Sprachgebrauch übernommen werden – das wird sich zeigen.