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3 Gründe, warum wir das Lernen neu denken müssen

/ HR / Entwicklung / E-Learning

Die Diskussionen über (digitale) Bildungskonzepte in den Zeiten von Post-Corona sind im vollen Gange und das ist auch gut so. „Heute unterrichten die falschen Leute mit den falschen Methoden die falschen Inhalte”,hat Richard David Precht festgestellt, und das weit vor Corona in seinem Bestseller „Anna, die Schule und der liebe Gott – der Verrat des Bildungssystems an unseren Kindern“. An seiner provokanten Analyse dürfte sich nichts geändert haben. Am Lösungsansatz auch nicht. Precht beschreibt in seinem Buch, wie man Menschen mit innovativen Ideen für eine immer komplexere Welt befähigen kann. Für ihn ist Bildung vor allem eines: Persönlichkeitsentwicklung. Eine Sichtweise, die ich teile. Nicht nur für die Schule, sondern auch für die Berufswelt.

Das staatliche Bildungssystem hat in der Pandemie keine gute Note verdient. Wie schneiden Unternehmen ab? Die Krise hat moderne Arbeitskonzepte hervorgebracht – aber hat sie auch bei Lernkonzepten als Katalysator gewirkt? 

Was zeichnet gute Weiterbildungskonzepte aus und warum brauchen wir sie genauso dringend wie Mobile-Office-Konzepte? Der Erfolg eines Unternehmens steht und fällt mit dem Know-how und Engagement seiner Mitarbeiter*innen. Diese Erkenntnis ist nicht neu – und trotzdem wird in Krisenzeiten häufig als erstes im Bereich Personalentwicklung gespart.

Seit Beginn der Pandemie haben 66 Prozent der Unternehmen alle internen und externen Personal- und Organisations-Entwicklungsmaßnahmen abgesagt. Das hat eine Umfrage bei 250 Firmen ergeben (Link).

Das ist natürlich fatal! Je nach Dauer und Intensität der Krise droht so die Leistungsfähigkeit des Unternehmens spürbar nachzulassen. Trotzdem planen nur 26 Prozent der Personaler*innen einen Neustart aus der Krise. Dabei gibt es drei gute Gründe, weshalb wir Lernen neu denken müssen.

#1 – Die Halbwertszeit von Wissen wird kürzer

Wusstest du, dass berufliches Wissen eine Halbwertszeit von nur fünf Jahren hat? Technologiewissen halbiert sich sogar nach nur drei Jahren und EDV-Fachwissen nach einem Jahr! Neue Geschäftsmodelle, technologische Entwicklungen sowie sich stetig wandelnde Kompetenzprofile für neue Berufsbilder machen lebenslanges Lernen äußerst wichtig.

In den kommenden fünf Jahren werden in Deutschland 700.000 Mitarbeiter*innen mit technologischem Know-how gesucht. Mehr als 2,4 Millionen Erwerbstätige müssen in Qualifikationen wie agilem Arbeiten geschult werden.

Das bedeutet, dass Lerninhalte permanent den Interessen und Erfordernissen angepasst werden müssen. Die Weiterbildungsbranche ist voll von Angeboten wie „Führen auf Distanz”, „Agiles Arbeiten”, „Resilienz”. Es braucht neue Bildungsinhalte und Kombinationen von Qualifikationen, um den Anforderungen am Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Was Unternehmen vor mehrere Herausforderungen stellt.

Leider fehlt zum einen in vielen Führungsetagen das Bewusstsein für eine vorausschauende Personalbedarfsplanung. Man beschäftigt sich zu wenig mit der wichtigen Frage, welche Kompetenzen die Mitarbeiter*innen jetzt und in Zukunft benötigen, um das Geschäftsmodell der Firma weiterzuentwickeln.

Zum anderen beobachte ich, dass die Loyalität der Mitarbeiter*innen ihren Arbeitgebern gegenüber abnimmt und durch erhöhte Fluktuation unternehmensspezifisches Wissen und Erfahrung in den Unternehmen verloren geht. Erhöhte Anforderungen in der VUCA-Welt auf der einen Seite, Wissensverlust auf der anderen bei zugleich immer geringeren Halbwertszeiten von spezifischem Wissen – eine schwierige Situation.

#2 – Lernverhalten und Lernformate verändern sich

Lernen vollzieht sich zunehmend „nebenbei“, „on demand“ am Arbeitsplatz oder unterwegs und nicht mehr ausschließlich in klassischen Lernsettings. Die Krise hat ja bewiesen, dass die Bereitschaft (und hier auch Notwendigkeit) besteht, neue Skills auch durch learning by doing zu erwerben.

Eine zunehmende Flexibilität zeigt sich auch bei der Auswahl von Tools und Inhalten. Das Angebot an (kostenlosen) Lernangeboten ist riesig und online ad hoc verfügbar. Früher konnte man spezifisches Expertenwissen oft nur erwerben, wenn man viel Geld dafür ausgegeben hat oder auf Reisen gegangen ist. Heute kann jeder Vorlesungen von internationalen Expert*innen im Netz verfolgen, deren YouTube Channel abonnieren, Podcasts hören etc. Die Vielfalt ermöglicht es jedem, unterschiedliche Erfahrungen zu sammeln und seinen persönlichen Lern-Mix zu finden. Ob alleine oder im Team, mit Kolleg*innen oder mit Gleichgesinnten im privaten Umfeld – über die Lernintensität, das Lerntempo und die Lerninhalte können wir immer selbstbestimmter entscheiden.

#3 – Bisherige Lernangebote matchen nicht mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen

Moderne Technologien ermöglichen flexibleres Lernen, erfordern aber auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Lernzielen und passenden Inhalten sowie die Fähigkeit zur Selbstorganisation. Die Voraussetzung für ein erfolgreiches Gelingen ist, dass Mitarbeiter*innen nicht nur Zugang zu diesen Angeboten haben, sondern vor allem, dass die Lerninhalte den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen angepasst sind.

Laut der internationalen Studie „Modern Learning Content for Modern Work“, an der über 700 Learning & Development Manager*innen sowie 6.000 Arbeitnehmer*innen teilgenommen haben, gibt es ein großes Gap zwischen Angebot und Nachfrage (Link).

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurden die Fortbildungsbedürfnisse der Mitarbeiter*innen den Angeboten ihrer Arbeitgeber gegenübergestellt. Ergebnis: Die Online-Kurse sind in vielen Unternehmen nicht spezifisch genug. Fast jede zweite Mitarbeiter*in bemängelt, dass die Inhalte nicht auf ihre Lernbedürfnisse zugeschnitten seien.

Kritisiert werden vor allem der Mangel an hochwertigen Inhalten zur Unterstützung der Geschäftsziele (41 Prozent), viele Angebote seien „nicht inspirierend“ (35 Prozent) und einige sogar „irrelevant“ (25 Prozent). Das ist erschreckend, denn so wird viel Geld und Zeit verschwendet – und die Mitarbeiter sind enttäuscht.

Für Führungskräfte und HR-Verantwortliche wird es daher immer wichtiger, Lernen neu zu denken und eine Lernkultur im Unternehmen aufzubauen, denn der Kampf um Talente wird ihre wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe. Ich rate, Mitarbeiter in den Gestaltungsprozess aktiv einzubinden und ihnen ausreichend Zeit für die eigene Weiterbildung zu schenken.  Wer in seiner Firma die Kompetenzen der Mitarbeiter*innen identifiziert, kann durch smarte Vernetzungsformate (Peer2Peer, Mentoring, Communities, Matchings-Systemen etc.) eine smarte lernende Organisation aufbauen, in der sich die Mitarbeiter*innen nicht nur gegenseitig aufschlauen und inspirieren, sondern auch zugehöriger fühlen.